#10/2021: Umsatz ≠ Umsatz im Pressehandel

Presse-Einzelhandel

dnv greift Thema ‘relevanter Umsatz im Presseeinzelhandel’ auf

Das Branchenmagazin Der Neue Vertrieb (dnv) behandelt in seiner Ausgabe #6 dieses Jahres ein Thema, das wir in der Vergangenheit schon einmal ausführlich vorgestellt haben (pv digest #3/2020 und #6/2020): die sehr unterschiedliche Position die ein- und dieselbe Zeitschrift in den beiden Ranglisten ‘Jahresumsatz’ und ‘Umsatz je Heftfolge’ einnimmt.

zentrale Kennzahl im Groß- und Einzelhandel ist bisher der kumulierte Jahresumsatz

Das ist von Bedeutung, weil der Jahresumsatz in vielen branchenüblichen Zusammenhängen als entscheidende Kennzahl behandelt wird. Bauer markiert Zeitschriften, die zu den 100 jahresumsatzstärksten Titeln gehören, mit einem auffälligen Label in der Hoffnung, dass diese Titel dann vom Einzelhandel bevorzugt behandelt werden. Die Vertriebsverantwortlichen jahresumsatzstarker Titel fordern regelmäßig Privilegien für Ihre Titel ein, weil diese besondere Bedeutung für den Handel hätten. Die Vergütung der Pressegrossisten ist abhängig vom Umsatz variabel. Titel, die viel Jahres-Umsatz erzielen, müssen eine geringere Handelsspanne an die Großhändler abtreten. Und auch im Einzelhandel gilt eine Regelung, die sich zwar nicht explizit auf den Jahresumsatz bezieht, die ihn aber ebenfalls als Zielgröße im Blick hat: je häufiger ein Titel erscheint, desto geringer ist seine Handelsspanne.

betriebswirtschaftlich wäre der Umsatz je Heftfolge häufig die bessere Kennzahl

In vielen Fällen wäre es plausibler, den Umsatz je Heftfolge und nicht den kumulierten Umsatz aller Heftfolgen, die in einem Jahr erscheinen, als Kern-Kennziffer (KPI) heranzuziehen. Die meisten Kosten, die Einzel- und Großhandel mit Zeitschriften haben, sind direkt abhängig von der Erscheinungsweise. Je häufiger ein Titel erscheint, desto mehr Arbeit hat der Handel damit. Für den Einzelhandel haben wir das ausführlich in der März-Ausgabe des Vorjahres belegt und auch aufgezeigt, dass diese Arbeitskosten viel stärker ins Gewicht fallen als beispielsweise die Kosten der Regalfläche, die von der Erscheinungsweise nicht betroffen sind. Unser Fazit war damals: “Insbesondere Titel mit niedrigen Preisen und hoher Erscheinungsfrequenz dürften auch bei hohen Umsätzen den Einzelhandel mehr Geld kosten, als er daran verdient.”

Gar so weit lehnt sich die oben bezeichnete Ausgabe des dnv, der sich als offizielles Organ der Pressehandelsverbände sieht, nicht aus dem Fenster. Aber immerhin heißt es dort: “Der Aufwand für die meisten … Aufgaben [des Handels] ist … abhängig von der Zahl der Heftfolgen (…) Vor diesem Hintergrund erscheint die Sortierung nach dem Umsatz, den eine Zeitschrift pro Heftfolge erzielt, nicht als bloße Spielerei. Vielmehr werden durch die Bezugnahme auf die Heftfolgenzahl eines gegebenen Zeitraums die Kosten berücksichtigt, die die Erscheinungsweise des Titels unweigerlich mit sich bringt.”

dnv veröffentlicht Top10 nach ‘Umsatz je Heftfolge’

Während pv digest in seinem Bericht im Vorjahr sehr ausführlich die Gegebenheiten im Einzelhandel dargelegt hat, haben wir an nur zwei Zeitschriften (TV14 und Reise&Preise) beispielhaft aufgezeigt, wie weit der Jahresumsatz auf der einen Seite und der Deckungsbeitrag je Heftfolge auf der anderen Seite auseinanderfallen können. Der dnv hat hier jetzt mit einer Top10-Liste eine gute Ergänzung geliefert, die wir in die folgende Grafik übersetzt haben.

je nach Umsatz-Kennzahl ganz unterschiedliche Ranglistenposition

These: oft erscheinende Billigheimer sind für den Handel ein Verlustgeschäft

im Pressegrosso womöglich noch mehr als im Einzelhandel

Die Grafik zeigt deutlich, dass ein beim Jahresumsatz weiter hinten rangierender Titel wie Landlust in der Betrachtung je Heftfolge ganz vorne landen kann. An diesem Titel verdient der Handel je verkaufter Heftfolge ungleich mehr als an deutlich mehr Jahresumsatz erwirtschaftenden Magazinen. Hinzu kommt, dass umsatzabhängige Handelsspannenregelungen das Bild noch weiter verzerren. Unsere These in pvd #3/2020 lautete: TV14 kostet den Handel vermutlich mehr, als er daran verdient!

Im Pressegrosso, dessen Kosten durch die hier dargestellten Umsätze ebenfalls gedeckt werden müssen, ist die Situation wegen zahlreicher unbekannter Größen schwieriger einzuschätzen. Allerdings ist die Verzerrung durch die Überbetonung der Jahresgesamtumsätze im Verhältnis zu den Umsätzen je Heftfolge noch viel ausgeprägter.

Schlagworte

Pressehandel

Themengebiete

Handel und Absatzwege