#6/2013: Wo bleibt eigentlich der Vertrieb?

Das Thema des Monats war sicherlich die Vorstellung von BILDplus, dem Paid Content Modell der BILD-Zeitung. Von nicht wenigen Kommentatoren wird das innovative Konzept als Modellfall für andere Medien begriffen. Was aber schon jetzt Modellcharakter für die Branche hat, lässt sich mit einer simplen Frage auf den Punkt bringen: Wo war eigentlich der Vertrieb?

Für seine PR-Show bei der Vorstellung von BILDplus fuhr der Verlag eine beeindruckende Riege seines Top-Managements auf. Nur einer spielt in der öffentlichen Kommunikation zum Thema BILDplus keine Rolle: Vertriebs-Chef Torsten Brandt. Das ist kein Sonderfall. In der gesamten Diskussion rund um Paid Content sind kaum Stimmen von Vertriebsexperten zu hören.

Dass sich tolle Produkte von alleine verkaufen, war immer schon die Illusion von großen Chefredakteuren und auch manchem Verleger. Aber im Maschinenraum auch der erfolgreichsten Zeitung stehen diejenigen, die das Produkt zu den Kunden bringen und den Preis kassieren. Die gedruckte BILD verdankt ihren Erfolg nicht zuletzt der legendären Erschließung von über 100.000 Presse-Verkaufsstellen, einer ausgefeilten Logistik, der branchenweit einmaligen Mengensteuerung und kreativer Verkaufsförderung. Es wäre naiv anzunehmen, dass digitale Produkte ohne aktive Vertriebsmaßnahmen zu ähnlichen Höhenflügen ansetzen.

Der Begriff ‘Bezahlschranke’ ist vielen unsympathisch – verständlich! Das letzte Mal, dass Schranken in der Wirtschaft eine entscheidende Rolle spielten, war die Wendezeit zum Ende der DDR. Damals waren die Schranken unten. Und als sie sich öffneten, ergoss sich eine wahre Nachfrageflut über Westprodukte, die manchem Vertriebsmitarbeiter heute noch erinnerungsselige Tränen in die Augen treibt. Bezahlschranken dagegen öffnen nicht sondern schließen. Wer mit einer Bezahlschranke Geld verdienen will, der muss dafür Sorge tragen, dass genügend Leute davor stehen und ihren Geldbeutel zücken, um die Schranke passieren zu dürfen.

Darum wird es höchste Zeit, dass sich Vertriebsexperten in die Diskussion einbringen und Paid Content aus dem Elfenbeinturm der Grundsatzfragen in den Maschinenraum des Vertriebs holen. Wie steigert man die Nachfrage nach Inhalten jenseits einer Paywall? Zu welchem Preis sollten diese angeboten werden? Was ist der richtige Verteiler (welche App-Stores, welche Gerätekategorien) für welche Art Inhalte?

Von alleine wird aus Content kein Paid Content – auch nicht, wenn man schon mal ein Preisschild darauf klebt.