#7/2015: Kopiert ist nicht kapiert

Können Zeitschriften von der Konsumgüterindustrie lernen, wie man seine Produkte mit bestmöglichem Erfolg über den Einzelhandel verkauft? Sicher. Sollte man deswegen Zeitschriften wie Markenartikel managen, wie es ein Großverlagsvorstand vor einiger Zeit formulierte? Das kommt darauf an.

Es ist eine gute Idee, sich erfolgreiche Maßnahmen und Vertriebskonzepte abzuschauen. Gut kopiert ist besser als schlecht erfunden. Ein Wettbewerb, der deutschlandweit Leuchtturmbeispiele erfolgreicher Presseregale auszeichnet und der im Einzelhandel Aufmerksamkeit dafür schafft, dass selbst im schrumpfenden Presse-Segment deutliche Umsatzsteigerungen möglich sind, ist eine gute Idee.

Keine gute Idee ist es, sich ohne wirkliche Not in die Rolle eines Markenartiklers zu begeben und mit einzelnen Handelsunternehmen und nur für bestimmte Zeitschriften Verabredungen zu treffen, die die privilegierte Sonder-Rolle des Presseregals im Einzelhandel gefährden.

Ein Markenartikel zu sein bedeutet ja längst nicht nur Glanz und Glamour. Im hochkonzentrierten Lebensmittelhandel bedeutet es auch einen permanenten Kampf um Regalplatz, Einkaufspreise und sonstige Konditionen. Sogar die heißeste Marke im heißen Energy-Drink-Segment, Red Bull, hat sich von Aldi eine spezielle Dosengröße diktieren lassen müssen.

Wer nicht mitspielen will, der fliegt aus den Regalen heraus. Und die Spielregeln werden dabei mit Zig-Milliarden-Konzernen ausgehandelt. Es gibt kaum eine Marke, die hier wirklich noch genug Gewicht auf die Waagschale bringt, um ihre Interessen wirksam durchzusetzen. In den letzten zehn bis zwanzig Jahren haben sich die Machtverhältnisse zwischen Handel und Herstellern um exakt 180 Grad gedreht. So gesehen ist die Konsumgüterindustrie ganz sicher keine erfolgversprechende Kopiervorlage.

Zeitungen und Zeitschriften sind von diesem Spiel ausgenommen. Politik&Gesellschaft gewähren den Verlagen das große und extrem ungewöhnliche Privileg, sich dem ungleichen Machtkampf durch Preisbindung und Dispositionsrecht entziehen zu können. Mit der Folge, dass Presse heute sogar mehr Regal-Platz hat als vor zehn Jahren. Dass sie von stabilen Konditionen profitiert. Und dass Handelsmarken praktisch kein Thema sind.

Dieses Privileg zu bewahren, muss aus Sicht der Verlage alleroberste Priorität haben. Aus Sicht von Politik&Gesellschaft gäbe es durchaus Gründe, hier kritische Fragen zu stellen. Aber kein Verlag – nicht einmal die allergrößten – hätte etwas zu gewinnen, wenn seine Zeitschrift im Handel plötzlich nur noch eine einzelne Marke wäre.

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