Deutschlands extreme (nicht extremistische!) Pressevielfalt

Deutschlands extreme (nicht extremistische!) Pressevielfalt

1.251 Publikumszeitschriften gebe es in Deutschland, berichtete der Zeitschriftenverlegerverband MVFP auf seiner letzten Jahrespressekonferenz. Seiner Rolle entsprechend bejubelt er das als “einzigartige Vielfalt der Zeitschriften-Marken”.

[Der Verband zählt auch 5.576 Fachzeitschriften. Das ist vermutlich ebenfalls eine deutliche Unterschätzung der tatsächlichen Anzahl. Aber Fachzeitschriften blenden wir für diese Kolumne einfach einmal aus.]

Über 1.251 Zeitschriftentitel beeindrucken Bahnhofsbuchhändler nicht. In den Regalen der größten Filialen stehen mehrere tausend Titel. Aber zum Beispiel auch die zzol-Datenbank des Pressegrossisten PDG umfasst derzeit 6.133 verschiedene Titel, die über den grossobelieferten Handel verkauft werden.

Ein Teil der Differenzen zur eher bescheidenen Zahl des MVFP beruht auf Definitionsfragen. Der Verband zählt nur deutsche Titel, die mindestens vierteljährlich erscheinen und die aktuelle journalistische Inhalte publizieren. Der Handel verkauft außerdem ausländische Titel und Rätselmagazine, Rezeptsammlungen oder Comics und viele nur seltener erscheinende Magazine.

Aber mehr als Definitionsfragen erklärt solche Abweichungen die Tatsache, dass niemand einen vollständigen Überblick über die in Deutschland veröffentlichten oder verkauften Pressetitel hat.

Wer so ein Produkt erzeugt, das ein ordnungsgemäßes Impressum beinhaltet und das nicht gegen geltendes Recht verstößt, der darf es publizieren und vertreiben. Er muss es nirgendwo anmelden.

Vertrieb findet auch jenseits von Grosso und Bahnhofsbuchhandel statt – über Abonnements, Webshops, persönlichen Verkauf, u.a.m.

Niemand hat auch nur ansatzweise einen Überblick über diese wirkliche Vielfalt. Aber vielleicht helfen ausgerechnet die beim Verfassungsschutz unter Extremismusverdacht stehenden Titel bei einer Schätzung.

Im Bericht der Behörde taucht eine Teilmenge aller in Deutschland erhältlichen Presseprodukte auf: 36 Magazine (33+Compact+2 Compact-Derivate). Nur 5 dieser 36 Titel finden sich in der genannten Grossodatenbank. Das bedeutet im Umkehrschluss: auf ein im Grosso bekanntes extremistisches Magazin kommen gut sechs unbekannte extremistische Magazine.

Wie viele presseartige aber im Grosso nicht erhältliche Nischenprodukte kommen auf die im Grosso bekannten Nischenprodukte? Sind es auch hier 5-6 Objekte pro im Grosso bekanntes Objekt?

Damit käme man auf über 30.000 in Deutschland erhältliche Presseprodukte. Wer bietet mehr?

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