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Die Grenzen des Wachstums

Die Geschichte des französischen Paid Content-Erfolges Mediapart könnte sich ein zweites Mal zum Leuchtfeuer auf der Paid Content-Route der Pressewelt entwickeln. Beim ersten Mal war Mediapart unser Kronzeuge gegen die Behauptung, Journalismus könne nicht über den Lesermarkt finanziert werden. Noch besser als durch die Erfolgserzählung der New York Times ließen sich Schwarzmalereien zur Zukunft von journalistischen Geschäftsmodellen mit diesem Beispiel widerlegen, das digital only entstanden ist und seit vielen Jahren offensichtlich mehr als tragfähig funktioniert.

Zum zweiten Mal zum Leuchtfeuer werden könnte Mediapart nun damit, dass es das Beispiel eines Mediums abgibt, das seinen Wachstumsdeckel erreicht hat. Nach Jahren des starken Wachstums ist der Abobestand im vergangenen Jahr zum zweiten Mal in Folge leicht gefallen, und auch bei Umsatz und Gewinn scheinen die Zeiten des Wachstums vorbei zu sein.

Mediapart kratzt das wenig. Der Publisher gehört mittlerweile einer Stiftung, deren einziger Zweck es ist, dafür zu sorgen, dass Mediapart weiterhin erscheinen kann. Es gibt keinerlei Druck, weiter wachsen zu müssen, und selbst ein moderates Schrumpfen wäre kein Drama.

Alle, die sich vor allem um die gesellschaftliche Bedeutung von Journalismus sorgen, können mit einer solchen Situation gut leben. Nur wer mit Journalismus Geld verdienen will und einen Presseverlag (auch) als ein Investment sieht, mit dem er stetige Wachstumserwartungen verknüpft, kommt hier an einen schwierigen Punkt.

Es spricht nun gar nichts dagegen, mit Journalismus Geld verdienen zu wollen. Das ist die Basismotivation für alle Privatwirtschaft und damit auch für alle nicht öffentlich-rechtlichen Medien. Es ist aber so sicher wie das Amen in der Kirche, dass selbst die Leuchttürme unserer Branche irgendwann bei der Anzahl der Abos an einen Deckel stoßen. Der liegt zum Beispiel bei Lokalzeitungen bei der maximal möglichen Marktausschöpfung in ihrer Region. Mit einer Wachhaltebrause aus Österreich kann man die Welt erobern. Mit einem Salzburger Medienangebot nicht.

Für manche wird es Zeit, darüber nachzudenken, wie es danach weitergehen soll. Preiserhöhungen sind ein Weg, der aber perspektivisch nur für einen Inflationsausgleich sorgen kann. Wer dauerhaftes Wachstum will, der sollte besser nicht in Journalismus investieren. Wer aber neben einer auskömmlichen Unternehmerrendite auch die persönliche Befriedigung schöpfen will, mit einer (Digital)Zeitung einen großen Beitrag zum Funktionieren seiner Gesellschaft beizutragen, der verfolgt weiterhin ein realistisches Ziel. Das war die erste Bedeutung des Leuchtfeuers Mediapart. Die neue Bedeutung ist: Denken Sie rechtzeitig darüber nach, was passiert, wenn Sie das Ziel erreicht haben.

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