Für (nicht in) Journalismus werben
In diesem Monat jährt sich der Geburtstag des Auto-Unternehmers Henry Ford zum 160sten Mal. Dem wird das Bonmot zugeschrieben, er wisse, dass die Hälfte seines Werbebudgets rausgeschmissenes Geld sei. Er wisse nur leider nicht welche Hälfte.
Sollte sich der Medienverband der freien Presse (MVFP, vormals VDZ) diese Frage stellen, dann können wir helfen. 100% der Werbekosten für die seit bald sieben Jahren betriebene Werbekampagne ‘Editorial Media’ sind herausgeschmissenes Geld. Weil sie nämlich genau die falsche Hälfte der Kunden anspricht.
‘Editorial Media’ ist eine Kampagne, mit der Werbekunden davon überzeugt werden sollen, dass journalistische Medien die richtigen ‘Umfelder’ für deren Werbekampagnen darstellen. Aber erstens ist es fraglich, wie sehr sich Werbeprofis mit smarten Motiven und PR-Texten beeinflussen lassen. Und zweitens sind die Werbeerlöse eben nur zweitens. An erster Stelle sollten die Konsumenten stehen.
Denn die tragen einen immer höheren Anteil an den Erlösen der Verlage – längst stellen sie die größere ‘Hälfte’ der Umsätze. Die Dringlichkeit ist hier auch viel größer. Denn die Konsumenten wenden sich immer häufiger von den redaktionellen Medien ab.
Nicht nur, dass sie immer weniger gedruckte Presseprodukte kaufen. Nicht nur, dass sie seltener ein Digitalabo abschließen, als es sich die Verlage wünschen würden.
Nein, sie kommen immer häufiger zu dem Schluss, dass sie nicht nur keine Zeitung, keine Zeitschrift und auch kein Digitalabo kaufen wollen. Sie vermeiden sogar aktiv jeden Kontakt mit Nachrichten. Sie misstrauen den Medien und halten auch ‘Editorial Media’ immer seltener für glaubwürdig.
Hier braut sich ein Sturm zusammen, der noch mehr Gewalt hat als rückläufige Absätze und wenig Zahlungsbereitschaft.
Wenn Nachrichtenmedien (inklusive des Rundfunks) nicht als Garanten für sorgfältig recherchierte und damit vertrauenswürdige Inhalte stehen, wenn es nicht mehr zu den Selbstverständlichkeiten eines Erwachsenenlebens gehört, sich über das aktuelle Geschehen zu informieren, um wenigstens als Wahlbürger einen kleinen Teil zum Gelingen der eigenen Gesellschaft beizutragen, dann ist letztere elementar in Gefahr und das Geschäftsmodell, nachrichtliche Presseprodukte herzustellen, ist mausetot.
Es wäre sinnvoller, dass die Verlagsverbände ihre Werbebudgets verwendeten, um die Konsumenten zurückzugewinnen, statt um Werbekunden zu buhlen.
Es ist unsicher, ob eine Konsumentenkampagne die notwendige Wirkung zeitigen würde. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist vielleicht nicht einmal sehr hoch. Sagen wir, die Chancen sind 50/50, wie bei Henry Ford. Das ist aber immer noch unendlich viel besser, als 100% der Werbung mit der richtigen Botschaft an die falsche Zielgruppe auszuspielen.