Leserbrief zu pv digest #5/2016

(Mai 2016)

Lieber Markus Schöberl,

in Ihrer letzten Ausgabe haben Sie danach gefragt, welcher Regionalzeitung es gelingt, aus einem Heimatgefühl eine Community zu bilden. Sehr schöne letzte Worte – die allerdings einem Denkfehler unterliegen. Ein Landstrich an sich hat kein Community-Potenzial. Zur Erläuterung ein plastisches Beispiel:

Treffen sich drei Menschen zufällig in einer Bar. Alle drei bemerken, dass sie Mitglieder in Modeleisenbahn-Clubs sind. Das Ergebnis: Sie werden sich den ganzen Abend über ihr Hobby und ihre gemeinsame Leidenschaft unterhalten. Das Gleiche wird drei Karnevalisten passieren, drei passionierten Besuchern der Bayreuther Festspiele oder drei Mitgliedern eines Wandervereins.

Jetzt die andere Variante. Treffen sich drei Menschen in einer Bar. Sie alle leben leidenschaftlich gerne in Berlin. Werden sie sich den ganzen Abend über ihre Stadt unterhalten? Wohl kaum. Jeder hat seine eigenen Gründe, warum er gerne hier ist. Der Erste liebt das Nachtleben, der Zweite verdient als Lobbyist sein Geld und der Dritte ist ein Ur-Berliner und war noch nie außerhalb Neuköllns. Es gibt keine gemeinsame Leidenschaft, die alle drei verbindet.

Lokal- und Regionalverlage könnten sich meines Erachtens fragen: Welche Communitys haben ihre Wurzeln bei uns vor Ort – und zwar nur bei uns? Und im nächsten Schritt: Wie erschaffen wir für dieses spezielle Publikum eine Plattform, die sie verbindet?

Im Ansatz zeigen dies etwa die Ruhrnachrichten. Das Haus hat einen eigenen Facebook-Kanal für Borussia Dortmund-Fans (https://de-de.facebook.com/BVB.News) mit 600.000 Fans, enormen Interaktionsraten – und einer deutlich größeren Reichweite als die klassischen RN-Fanpages. Was wäre, wenn dieser Ansatz weitergedreht würde: Mit einem eigenen Blog, eigenen Kanälen auf Instagram, Snapchat und Co.? Mit Redakteuren, die seit Jahren in der Südkurve stehen? Mit diversen Community-Aktionen und einem angeschlossenen Shop? Englischsprachig, um die weltweite Community für sich zu gewinnen?

In solchen skalierbaren Special Interest-Bereichen stecken Chancen für Lokal- und Regionalzeitungen. Natürlich ist eine solche Diversifizierungs-Strategie kein Spaziergang. Auch dort lauern neue Wettbewerber. Aber es wäre ein spannender, neuer Weg, der sich zudem mit überschaubaren finanziellen Mitteln austesten lässt.

Mit freundlichen Grüßen,

Benjamin O’Daniel

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