Per Azernis ad astra

Per Azernis ad astra

Ob ein ausgereiftes Large Language Model wie ChatGPT sich unterfordert fühlt, wenn es eine Glatteismeldung der dpa mit Emojis gefühlig machen oder dramatisieren soll? Wer weiß das schon? Aber sicher ist, dass es für Künstliche Intelligenz in digitalen journalistischen Produkten vielversprechendere Nutzungsmöglichkeiten gibt, als aus einer schlichten Meldung vier schlichte Meldungen zu machen.

Dennoch ist die Azernis-App, die wir auf Seite 19 vorstellen, eine Inspiration. Denn seit Paid Content zur dominierenden Strategie der Digitalpressebranche geworden ist, scheint fast alle Entwicklungs-Phantasie darauf verwendet zu werden, die beste Kombination aus Preisen, Laufzeiten und vorangehenden Probeangeboten zu identifizieren und diese bestmöglich per Marketing unters Nutzervolk zu bringen.

Verkauft werden dabei seit vielen Jahren zwei bis drei Produkte: Plus-Abos und E-Paper und Apps für die Darstellung der Plus-Inhalte oder des E-Papers.

Das kann es noch nicht gewesen sein. Das E-Paper ist im Wesentlichen das gleiche Produkt wie es eine gedruckte Zeitung schon vor 100 Jahren war. Und Zeitungswebsites sind seit 20-30 Jahren überwiegend eine chronologisch aneinandergereihte Ansammlung von Text- und Bildmaterial.

Der Verkauf dieser Produkte lief bis etwa vor 12-18 Monaten traumhaft. Seitdem mehren sich aber die Stimmen enttäuschter Verlagsmanager, die feststellen, dass sie zwar nach den Sternen gegriffen haben, dass es anfangs dabei auch raketenmäßig nach oben ging, dass sie nun aber den Auftrieb verloren haben und im Auf und Ab einer stürmischen Troposphäre feststecken.

Auftritt Azernis: so eingeschränkt diese App Gebrauch von den faszinierenden Möglichkeiten der Digitaltechnik macht, so sehr ist es doch das Beispiel eines Versuchs, aus den seit langem bekannten Produktmustern auszubrechen und etwas Neues anzubieten.

Ganz sicher ist eine Textvarianten-App nicht das Ende der Produktentwicklungsfahnenstange. Genauso wenig wie per KI von Text in Audio umgewandelte Hörstücke oder den Artikel vorangestellte, automatisiert erzeugte Zusammenfassungen oder ein Gute-Laune-Schalter.

Die Multimedia-Optionen von Digital only, die Möglichkeiten zur Interaktion mit Nutzern, zur Personalisierung von Inhalten – allgemein: die Chance, etwas ganz Neues zu schaffen – das alles wird bisher viel zu wenig genutzt.

Zukünftiges Wachstum wird nicht von allein kommen (hoffen Sie auf keinen Trump Bump!). Und es wird auch nicht zu den Sternen führen, wenn es nur auf jahrzehntealten Produktideen beruht. Für weiteres Wachstum braucht es auch ganz neue Produktideen. Eine Textvarianten-App ist da zumindest ein Anfang. Per Azernis ad astra.

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