Wie denken Edeka-Händler über das Sortiment Presse?

(1.5.2017, Ergänzung zu pv digest #5/2017)
Seit Jahren sorgen sich Grossisten, große Verlage und der Verlegerverband VDZ um den Vertriebskanal Lebensmittelhandel. Ursache ist eine angebliche große Unzufriedenheit der Lebensmittelhändler, und hier vor allem der Umsatzriesen Rewe und Edeka – mit dem Sortiment. Nur: weder aus dem Management von Rewe noch von Edeka gibt es konkrete Aussagen zu diesem Thema. Ganz im Gegenteil – die Chefs beider Unternehmen waren in den letzten Jahren auf der Top-Veranstaltung des Verlegerverbandes VDZ als Sprecher zu Gast. Eine einmalige Gelegenheit, den Verlagen deutlich zu machen, was man von Ihren Produkten hält. Sowohl Edeka-Chef Markus Mosa wie auch Rewe-Chef Alain Caparros präsentierten sich bei dieser Gelegenheit aber viel mehr als Fans von Presse denn als Händler, die kurz davor stehen, die Zeitschriftenregale abzubauen.

Auf Nachfragen wollten beide Konzerne darüber hinaus keine Stellung zum Thema beziehen.

Auf der Suche nach pressekritischen Einzelhändlern ist pv digest bisher auch anderswo nicht weit vorangekommen. In den letzten Monaten haben wir zwei Interviews mit Hamburger Edeka-Händlern geführt. Händler 1 ist Betreiber mehrerer Edeka-Filialen in Hamburg und ein bekennender Fan des Sortimentes. Wir haben mit dem Geschäftsführer gesprochen, der an anderer Stelle auch namentlich zu seinen Aussagen steht. Allerdings haben wir für den folgenden Beitrag seine Zitate teils leicht gekürzt und neu zusammengestellt.
Wir verzichten auf die Namensnennung. Vor allem auch, weil wir unseren zweiten Gesprächspartner nicht nennen können. Auch Händler 2 steht für einen Hamburger Edeka-Händler mit mehreren Standorten. Händler 2 ist uns aufgefallen, weil er in einer Filiale tatsächlich das Presseregal verkleinert hat. Hier haben wir es anscheinend mit einem dem Presseregal kritisch gegenüberstehenden Händler zu tun. Leider wollte der Geschäftsführer dieses Edeka-Betreibers nicht mit uns sprechen. Stattdessen haben wir uns mit dem in allen Geschäften des Unternehmens für den Non-Food-Bereich, damit auch für Presse, verantworlichen Manager unterhalten. Mit sehr überraschendem Ergebnis.

Interview

Wir präsentieren im folgenden beide Gespräche, die unabhängig voneinander und in einem Abstand von rund drei Monaten geführt wurden, als Doppelinterview.

Wichtiger Hinweis: im Unterschied zu fast allen Gebieten in Deutschland gibt es in Hamburg zwei Presseroßhändler, die den Einzelhandel beliefern und die im Wettbewerb miteinander stehen. Das ist ein wesentlicher Unterschied zum übrigen Pressehandel.

Händler 1

Händler 2

Im XXXX-Markt von Edeka ist das Presseregal verkleinert worden. Augenscheinlich können Sie den Platz im Laden besser nutzen als mit dem Angebot von Zeitschriften?
 “Das würde ich so nicht sagen. Ich hätte es auch nicht so gemacht. Und der lokale Marktleiter wohl auch nicht. Aber der Chef [pvd: gemeint ist der geschäftsführende Gesellschafter des mehrere Edeka-Filialen betreibenden Unternehmens] wollte es halt so. Der ist ein Lebensmittelfan, für den zählen nur Lebensmittel. Und bei der Umgestaltung der kleinen Ladenfläche hat er dann einfach entschieden, dass da ein Meter Regal weg muss um für was anderes Platz zu machen.”
Obst&Gemüse, Fleisch&Wurst, Kaffee und teure Weine. Und Presse. Welche Bedeutung hat Presse für ihre Geschäfte, besonders auch im Vergleich mit anderen Sortimenten?
“Presse ist bei uns extrem beliebt. Die Quadratmeterumsätze sind sensationell. Wir haben ein Riesensortiment, können jeden Kundenwunsch von einem auf den anderen Tag erfüllen, das kann ich in kaum einem anderen Sortiment, wo ich dann erst was listen muss, erst den Lieferanten ermitteln muss, das ist im Grosso mit einem Anruf erledigt. Presse ist ein idealer Artikel für Nebenplatzierungen, so wie wir Parmesankäse auch am Nudelregal anbieten, so bieten wir zum Beispiel ‘Beef’ an der Fleischtheke an. Oder jetzt gerade warte ich schon auf die ersten Hefte mit Plätzchenrezepten, die wir zu den Backwaren stellen. Solche Zusatzplatzierungen funktionieren sehr gut, die Hefte müssen immer wieder nachbestellt werden.”“Presse hat eine hervorragende Flächenproduktivität. Nur: das weiß kaum jemand. Mir hat mal jemand gesagt, dass netto netto, also unter Einschluss von Arbeitskosten, Mietkosten für die Fläche usw., Presse nur 6% Marge habe. Ich habe das mal nachgerechnet. Welches Sortiment bringt netto netto 6%? Da habe ich nur eines gefunden: Hefe.
Natürlich gibt es Sortimente mit viel besserer Brutto-Marge. Aber was bringt mir eine Marge von 70%, wenn ich nichts verkaufe? Da verkaufe ich doch lieber mit 20% Marge.
Und die Kunden erwarten das Sortiment einfach bei uns. Wir habe ja viele Stammkunden. Erklären Sie denen mal, wenn plötzlich ihre Zeitschrift nicht mehr da ist. Und auch andere Kunden erwarten von uns das ganze Sortiment. Wir sind ja nicht Aldi oder Lidl, da wissen alle, da bekomme ich nur das Wichtigste.”
War das schon immer so, dass Presse für Ihre Märkte so eine große Bedeutung hat?
“Nein. Das haben wir eigentlich erst bemerkt durch die Nachbarschaft unserer Märkte zum XXX Verlag in Hamburg. Da kam eigentlich erst von außen der Druck, von den Journalisten und Verlagsmitarbeitern, die bei uns eingekauft haben. Vorher lief Presse unter ferner liefen. Aber dann habe ich mir die Zahlen angeguckt, gesehen, was möglich ist, und dann haben wir in einem Laden in der XXXStraße die Regale auf Vordermann gebracht und gesehen, dass man die Umsätze extrem verbessern kann. Und das haben wir dann über die Jahre in allen Läden umgesetzt. Wir haben überall feste Mitarbeiter für die Abteilung. Die sind hochmotiviert, sie stehen hinter dem, was sie machen. Wir machen super Umsätze, geschlagen eigentlich nur von der Tabakwarenabteilung im Vorkassenbereich – die aber mit schlechterem Rohgewinn. Wir haben relativ wenig Aufwand damit…”“Presse war immer wichtig und auch erfolgreich. Und gemeckert worden ist früher auch schon. Früher war ja sogar alles noch viel schlimmer. Als die Remission noch per Hand auf Zetteln notiert werden musste, da hatten die Mitarbeiterinnen [pvd: sic!] immer zwei Stunden zu tun. Heute macht das alles der Grossist. Und er macht dabei auch noch weniger Fehler, als wenn wir selber zählen.”
Oft heißt es, dass der Lebensmittelhandel so unzufrieden mit Presse ist. Woran liegt das?
“Das frage ich mich auch. Man kann überall was Schlechtes sehen, man kann sagen, ‘der [Grossist] kommt jeden Tag, das nervt, man muss jeden Tag das Regal anfassen’. Aber man muss eben begreifen, das ist ein Frischeregal, das ist wie Milch oder wie Eier, die muss ich auch jeden Tag packen. Es ist täglich was Neues für die Kunden, täglich was Neues für die Mitarbeiter. Kein Sortiment wechselt bei uns so stark wie das Presseregal. Und wir machen super Umsätze. Wobei man schon sagen muss: die werden natürlich immer wieder mit dieser extremen Ausweitung des Sortimentes erkauft.”“Das ist die Wahrnehmung. Und es ist so, dass alles Nonfood bei uns ein schlechtes Ansehen hat, damit will keiner was zu tun haben. Wenn an der Kasse einer krank ist, dann muss woanders jemand abgezogen werden. Aber beim Obst&Gemüse, an der Fleischtheke oder beim Käse geht das nicht. Also sind das die Mitarbeiter von Nonfood. Und wenn in den Regaln dann mal was in Unordnung gerät, dann bleibt das bis zum Abend so. Wenn eine Mehltüte runter fällt, dann kommt sofort jemand. Aber beim Tchibo-Regal oder bei der Presse ist das nicht so. Dann kommt das Regal in Unordnung und es sieht nicht so aus, wie es bei uns eigentlich aussehen sollte.”
Komisch. Ich höre häufig, dass Lebensmittelhändler und Supermärkte sich über den vielen Aufwand beklagen, den das Presseregal macht.
“Naja, wir müssen keine Bestellungen machen, wir haben eine automatische Nachdisposition, also alles wird gescannt, die Daten werden über Nacht verarbeitet. Wir haben nur zwei Lieferanten, die uns das Leben einfach machen. Gott sei Dank zwei Lieferanten, weil wir hier in Hamburg so ein bisschen eine Konkurrenzsituation haben.”“Ich sehe das auch nicht. Es ist eher so, dass es so wahrgenommen wird. Und wenn der Chef das so sieht, dann zieht sich das bis zum einzelnen Mitarbeiter nach unten.”
Das ist kein Nachteil, dass da zwei Firmen kommen, zwei Abrechnungen kommen und so weiter?
“Nein, gar nicht, im Gegenteil. Ich höre es immer wieder von Kollegen in anderen Regionen mit nur einem Pressegrossisten, die vom Außendienst noch nie etwas gesehen haben, die so gut wie gar nicht betreut sind. Und wenn die am Telefon überhaupt mal jemanden erreichen, dann weiß der oft nicht Bescheid. Das kenne ich aus Hamburg nicht.”“Also ich habe jahrelang in ganz Norddeutschland Presse verantwortet. Der Wettbewerb in Hamburg gefällt mir ganz gut. Zwei wissen mehr als einer. Und die stacheln sich schon gegenseitig an. Früher habe ich den Grossisten in Norddeutschland jedenfalls immer erzählt, was deren Kollegen in Hamburg so alles machen. Die waren immer vorneweg.”
Sinngemäß sagen Manager aus Zeitungshäusern: ‘Wir machen 30 Prozent des Presseumsatzes, haben aber nur 3 Prozent der Regalfläche. Das ist nicht richtig.’ Was sagen Sie dazu? Ist die Forderung nach einer umsatzproportionalen Platzierung berechtigt?
“Zunächst trifft das bei uns nicht zu, bei uns ist es viel weniger Umsatzanteil. Dann habe ich bei Tageszeitungen weniger Spanne. Ich habe relativ viel Arbeit mit Zeitungen, weil ich die jeden Tag pflegen muss, manchmal mehrfach. Wir haben das in der XXXstraße in einem unserer Märkte auch schon einmal gemacht, wir haben Zeitungen mehr Platz gegeben. Aber es war dann nicht so deutlich, dass das die Gesamtabteilung vorangebracht hätte. Ich habe dann natürlich eine eingeschränkte Vollsichtplatzierung bei hochwertigeren Titeln, die nachweislich in der Folge auch weniger gekauft worden sind.”“30%, das geht ja gar nicht, das passt ja nicht für die Zeitschriften, das sind ja viel zu viele. Das gibt es doch auch in anderen Sortimenten. Butter zum Beispiel hat ja auch nicht so viel Platz, wie sie Umsatz macht.
Manchmal wäre mehr Vollsicht für die bekannten Titel aber schön. Ich habe mit meiner Frau mal die Tina gesucht und nicht gefunden. Das gibt’s doch gar nicht. Soo [zeigt eine Schuppung von rund 10cm] wäre es schön.”
[Einwand des Interviewers: ‘naja, das ist ja jetzt etwa genauso viel, wie jeder Titel im Durchschnitt auch hat.’]
“Im Durchschntt ist das vielleicht so, aber schauen sie doch mal ins Regal, wie es da aussieht.”
Was fällt Ihnen noch zur Lieferantenseite bei Presse ein?
“Naja, wie ich schon sagte, es ist unheimlich einfach, mit nur zwei Lieferanten ein riesengroßes Spektrum abzubilden. Es ist eine tägliche Belieferung. Ich kann bis abends noch bestellen. Das habe ich sonst vielleicht beim Brot oder beim Gemüselieferanten – und da sind es dann eben ganz viele Lieferanten – aber sonst bei keinem anderen Lieferanten gibt es eine so schnelle Reaktionsmöglichkeit auf Kundenwünsche.”“Ich spreche mit denen viermal im Jahr. Und ich sage den Marktleitern immer, sprecht mit dem Grosso-Außendienst mindestens eine halbe Stunde. Das bringt mehr Umsatz und weniger Arbeit. Aber der eine hält sich dran und der andere nicht. Außendienstler haben einen schweren Stand im Handel.”

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