Zero Chicks

In einem von der Sonne verwöhnten Land im Süden lebten zahlreiche Gastwirte an der Riviera von einem gutgehenden Bewirtungsgeschäft. Die Gäste kamen verlässlich, ließen es sich schmecken und genossen dabei den Blick auf das türkisfarbene Meer.

Irgendwann aber kam ein junger Gastwirt mit Hilfe einer Marketingfirma auf eine fantastische Idee. Die Firma stellte ihm ohne jedes Kostenrisiko, nur gegen eine Beteiligung am Umsatz, die Dienste ihrer Promotionmitarbeiter zur Verfügung. Diese platzierten sich vor dem Restaurant und versprachen den Touristen ein Freibier, wenn sie nur die Wirtschaft beträten. Plötzlich war das Restaurant immer voll.

Neidisch schauten die anderen Gastwirte auf ihren Kollegen. So ein volles Haus wollten sie auch haben. Schließlich würde das Gratisbier Appetit auf weiteren Konsum machen. Also beauftragten sie ihrerseits die Dienste der Protomoren der Marketingfirma. Und tatsächlich – auch ihre Lokale waren plötzlich verlässlich immer berstend voller Gäste, die sich das Gratisbier schmecken ließen und vielleicht manchmal auch danach ein Essen bestellten.

‘Die kommen doch nur, um ihr Bier zu schnorren, dann ziehen Sie weiter’, moserte der Vater des Wirts. ‘Vater, das ist eine neue Zeit, schau doch, wie viele Leute zu uns finden. Unsere Mitarbeiter sind verlässlich ausgelastet, die Tische sind voll und unter dem Strich verdienen wir immer noch, auch wenn die Promotoren wirklich ganz schön viel Geld verlangen’.

‘Naja’, sagte der Vater. ‘Klar sind die Zeiten andere. Die jungen Leute kaufen sonst Dosenbier am Kiosk und Hamburger am Imbiss, wenn wir sie nicht mit Freibier locken. Aber wie finden es die Stammgäste, dass hier immer so ein Trubel ist? Und bist Du sicher, dass wir unter dem Strich Geld verdienen? Ich meine, Du lässt Dich allzu sehr davon blenden, wie voll unser Laden nun immer ist, statt zu schauen, wie es unseren Stammgästen geht.’ Der junge Wirt war nicht unbeeindruckt von diesen Worten. Aber was sollte er tun? Das war nun einmal die neue Zeit.

So ging es, bis eines Tages plötzlich die Promotoren nicht mehr zur Arbeit erschienen. Die Marketingfirma hatte die Lust an diesem Geschäft verloren und noch lukrativere Aufgaben für ihre Mitarbeiter gefunden. In den Strandrestaurants wurde es wieder ruhig, freie Tische waren die Regel. ‘Zero Chicks, nicht mal unsere Grillhähnchen werden noch bestellt’, beklagte mancher Küchenchef das maue Geschäft.

Aber andere Wirte fanden heraus, dass Sie mit besonders gutem Essen und anständigem Wein an viel weniger Gästen auch gut verdienen konnten. Hier und da sollen sich sogar junge Leute eingefunden haben, die der Burgerbratereien und des Dosenbiers überdrüssig waren.

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