#10/2019: Paywall-Benchmarks I – Große Harvard-Studie

Paid ContentBenchmarks I

Wissenschaftler untersuchen Datenpool von 500 US-News-Websites

Daten stammen aus den Jahren 2011-2018

Forscher des Shorenstein Centers an der Harvard Universität haben Paywall-Daten von 500 US-Nachrichtenanbietern mit Digitalaboangeboten untersucht. Die Mehrheit der Daten konnten die Forscher aus dem Paywallsystem Press+ herausziehen, das später im heutigen Weltmarktführer Piano aufging. Diese Daten stammen aus den Jahren 2011 bis 2015. Weitere Datensätze bis ins Jahr 2018 konnten die Forscher über verschiedene Wege ergänzen, von Beratungsprojekten über Brancheninitiativen. Mit den Jahren 2011 bis 2018 umfasst die Analyse damit ziemlich genau den Zeitraum von der Einrichtung der Metered Paywall bei der New York Times bis in die Gegenwart. Und die New York Times ist auch im Fall eines der zentralen Analyseergebnisse beispielhaft: Die Metered Paywall der NYT startete mit 20 Gratisartikeln pro Monat. Heute lässt nyt.com nur noch 5 kostenlose Artikellektüren pro Monat zu – neuerdings auch das erst nach einer Registrierung. 5 Gratisartikel ist der aktuelle Durchschnitt aller 500 Zeitungswebsites im Sample der Forscher. 2012 waren es im Schnitt noch 13 kostenlose Artikel.

Empfehlung: erzeugen Sie viele Kontakte mit der Bezahlschranke

Mehr Kontakte mit der Paywall führen auch zu mehr Abos

=> die Stopp-Rate ist ein wichtiger KPI

Je weniger Gratisartikel eine Paywall zulässt, desto mehr Nutzer der Website stoßen an die Bezahlaufforderung. Und je mehr Nutzer zum Bezahlen aufgefordert werden (‘Stopp-Rate’), desto mehr schließen auch ein Abo ab, zeigen die Forscher. Dabei ist für die Stopp-Rate nicht nur das Meter-Limit entscheidend, sondern auch mögliche Ausnahmeregelungen, beispielsweise für Social Media- und Empfehlungsverlinkungen oder bei bestimmten inhaltlichen Kategorien. “Sehr erfolgreiche Verlage tendieren dazu, beinahe alle Artikel oder Content-Elemente in ihr Meter einzuschließen”, heißt es im Report dazu.

Andererseits kann die Stopp-Rate durch eine Steigerung des Engagements verbessert werden, zum Beispiel durch die Nutzung von Newslettern, die zu vermehrter Lektüre motivieren. Oder Verlage setzen Techniken ein, um nur bestimmte Nutzer besonders frühzeitig zum Bezahlen aufzufordern. Das kann zum Beispiel über niedrigere Meter-Limits für Nutzer im Kernverbreitungsgebiet einer Zeitung realisiert werden oder durch eine verhaltensabhängige (smarte, dynamische) Paywall.

Stopp-Raten:

  • im Ø 1,8% aller UUs
  • aber ≥6% bei den Top10%
  • und Ø3,6% beim Sub-Sample Metropolzeitungen

Im Durchschnitt (Median) stießen bei den 500 untersuchten Zeitungswebsites nur 1,8% der Unique Users eines Monats an die Paywall. Bei 10% der untersuchten Medien stießen 6% der Nutzer und mehr auf die Paywall. Über diese Medien sagen die Forscher, dass sie ein “blühendes Digitalabogeschäft haben – stabile Teams und gut entwickelte Engagement-Strategien”. 10 untersuchte große Metropolzeitungen kamen bei der Analyse mit 3,6% Stopp-Rate im Schnitt auf den doppelten Wert aller Paywall-Websites.

Weitere Empfehlungen der Forscher

Neben der eindeutigen Empfehlung, möglichst viele User mit der Paywall in Kontakt zu bringen – also nicht zu viele Artikel kostenlos zu ‘sampeln’ – habe die Forscher weitere Paywall-Erfolgsfaktoren identifiziert:

  • klar definierte Märkte. Erfolgreiche Zeitungen erreichen mit ihrem Webangebot eine hohe Marktdurchdringung, gemessen an der Anzahl der Unique Visitors der Website im Verhältnis zur Anzahl uniquer Nutzer in der jeweiligen Region insgesamt. Den besten Wert in den Studiendaten hatte die Minneapolis Star Tribune, die 31% aller uniquen Desktopnutzer in ihrem Markt auch als Nutzer ihrer Website erreicht. Das ist doppelt so viel wie der Median-Durchschnitt aller untersuchten Websites. Der ebenfalls sehr erfolgreiche Boston Globe erreichte den zweitbesten Wert von 23%.
  • machen sie den Checkout einfach. Bei 10 untersuchten Großstadtzeitungen verließen rund 90% der Nutzer, die einen Abobestellprozess begonnen hatten, diesen wieder, ohne zu bestellen. Das gilt für Desktopnutzer. Auf mobilen Geräten waren die Werte noch schwächer.
  • verstehen, warum Abos gekündigt werden. Das gilt vom Erkennen von Prozessproblemen bei der Bezahlung einer Folgerechnung bis hin zu mangelndem Engagement. Wer seine Problemfelder kennt, der kann dagegen angehen.

weitere Paywall Erfolgsfaktoren

  • hohe Durchdringung in klar definiertem Markt
  • einfache Checkout-Prozesse
  • Gründe für Kündigungen verstehen

Weitere (US-Markt-spezifische) Ergebnisse

Bei 10 untersuchten Großstadt-zeitungen verließen rund 90% der Nutzer, die einen Abobestell-prozess begonnen hatten, diesen wieder, ohne zu bestellen

Andere Ergebnisse der Studie sind vermutlich weniger auf den hiesigen Markt zu übertragen. Der durchschnittliche Monatspreis eines Digitalabos stieg im untersuchten Zeitraum 2011 bis 2018 von 6,66$ auf 9,93$ um rund 50% Dabei fanden die Forscher keine Korrelation zwischen der Größe des adressierten Marktes und dem Preis.

Weitere US-Markt-Benchmarks

  • ØDigitalabopreis kletterte zwischen 2011 und 2018 von 6,66$ auf 9,93$ pro Monat
  • CLVs schwanken zwischen 50$ und 340$; im Ø137$
  • Haupttreiber des CLV ist die Churnquote
  • Im Ø5,6%/Monat; Range von 1% bis 12%

Die Forscher berichten ebenfalls über Customer Lifetime Values. Leider, ohne deutlich zu machen, wie sie diese ermittelt haben und ob Lebenszeit-Umsätze oder -Deckungsbeiträge ermittelt wurden. Auf eine pv digest-Nachfrage zu dieser zentralen Unklarheit haben wir keine Antwort erhalten. Was auch immer ermittelt wurde: die Werte schwankten zwischen nur 50$ bei den schwächsten 5% aller untersuchten Angebote und 340$ bei den Top-5%. Der Median-Mittelwert lag bei 137$.

Hauptfaktor für diese große Differenz waren die sehr großen Unterschiede bei den monatlichen Abgangsquoten, die in den untersuchten Daten zwischen über 12% und unter 1% streuen, mit einem Durchschnittswert von 5,6% monatlichen Kündigungen. Die Daten zeigen dabei eine klare Tendenz zu höheren Abgangsquoten bei höheren Abopreisen.

pvd meint: Der gesamte Forschungsbericht umfasst 35 Seiten. Die Lektüre des gesamten Berichts lohnt. Uns ist selten einmal eine so umfassende, so auf den Lesermarkt und das Lesermarkt-Marketing konzentrierte und praxisnahe wissenschaftliche Untersuchung begegnet. Lediglich die undifferenzierte Analyse von Datensätzen aus 7 Jahren lässt zu wünschen übrig. Denn bei den meisten Analysen der Studie bleibt dadurch unklar, inwieweit Mittelwerte einen aktuellen Stand abbilden oder durch Vergangenheitswerte geprägt sind .

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