190 Mio€ Jahresumsatz mit Paid Content in Deutschland

(Januar 2015)
Die deutschen Publikumsmedien erzielen mit ihren Paid Content-Angeboten einen jährlichen Umsatz von 190 Mio€. Das ist das Ergebnis unserer jüngsten Markteinschätzung. In der Januar-Ausgabe des vergangenen Jahres schätzte pv digest das Niveau der Paid Content Umsätze noch auf 140 Mio€. Damit ist der Umsatz mit bezahlten Digitalprodukten binnen zwölf Monaten um ein gutes Drittel gestiegen – eine Größenordnung die sich mit diversen Einzelrecherchen verträgt, die wir in den letzten Monaten zum Thema durchgeführt haben.

In der vergangenen Woche veröffentlichte der PR-Verband Bitkom das Ergebnis einer Befragung, nach der 34% aller Internet-Nutzer monatlich 15,10€ für Online-Journalismus bezahlen sollen. Hochgerechnet auf das jährliche Gesamtniveau errechnet sich daraus bei 55Mio Internet-Nutzern ab 14 Jahren ein Umsatzniveau von 3,4Mrd€. Das wären über 40% der von deutschen Zeitungen und Zeitschriften generierten Vertriebs-Erlöse.

Digitale Auflagen bewegen sich in der Regel im Bereich 1-2% der verkauften Druckauflage; einige sehr erfolgreiche Tageszeitungen erreichen hier bereits zweistellige Prozentwerte. Auch die wenigen veröffentlichten Daten zum Anteil bezahlender Webnutzer im Verhältnis zu den Besuchern journalistischer Webangebote insgesamt bewegen sich in der Regel im einstelligen Prozentbereich.

Auf unsere Nachfrage erklärte ein Bitkom-Sprecher dazu:

“Wir haben eine Umfrage durchgeführt und keine Marktanalyse angefertigt. Selbst repräsentative Umfragen sind immer mit Unsicherheiten behaftet. Es handelt sich hier um eine Selbsteinschätzung der Befragten, nicht um eine Messung der Finanztransaktionen. Es wäre wissenschaftlich unsauber, die Umfrage zu einem Marktvolumen hochzurechnen – und so haben wir ganz bewusst auf eine Hochrechnung verzichtet.
(…)
Gleichzeitig sehen wir keinen Widerspruch zu Ihren Zahlen, im Gegenteil. Wir haben nicht nur nach Online-Bezahlangeboten textlicher journalistischer Inhalte von Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen gefragt. Unsere Frage lautete ganz allgemein: “Wie viel geben Sie im Monat durchschnittlich für journalistische Online-Angebote aus?” Es ging also nicht nur um Text, sondern auch um Video, Ton, Bild. Weitere journalistische Angebote wie z.B. Sportberichte, Fachinformationen, Datenbanken journalistischen Inhalts oder Videoreportagen sind somit eingeschlossen. Wir vermuten, dass hier der Großteil der Umsätze gemacht wird. Überprüft haben wir das bislang nicht. Zu guter Letzt: Mit unserer Umfrage wurden auch Zahlungen an Anbieter mit Sitz außerhalb Deutschlands eingeschlossen.”

Wir halten die von der Bitkom veröffentlichten Zahlen für nicht nachvollziehbar. Wir sehen keinen Hinweis, dass ausländische Anbieter oder Datenbankangebote einen “Großteil der Umsätze” generieren. Auch angesichts der großen Unsicherheit bei der Abschätzung des deutschen Paid Content-Marktes sind wir überzeugt, dass die von uns ermittelten 190Mio€ deutlich näher an einem realen Wert liegen (selbst wenn man ausländische Anbieter, Datenbanken und Sportberichte einschließen wollte).

Mit gut 120 Mio€ erzielen die Tageszeitungen (regionale + überregionale + Bild) demnach etwa 2,5% ihrer vom BDZV auf 4,7 Mrd€ bezifferten Vertriebsumsätze mit digitalen Produkten.

Für die deutschen Zeitschriftenverlage nennt der Verlegerverband VDZ einen jährlichen Vertriebsumsatz von 3,2 Mrd€ – knapp 70Mio€ digitaler Vertriebsumsatz bedeuten im Verhältnis dazu 2,2% Paid Content-Anteil. Dabei ist allerdings zu beachten, dass die verfügbaren Vertriebsmarktdaten für die Zeitschriften mit wesentlich mehr Unsicherheiten behaftet sind als die fast per Voll-Erhebung ermittelten Daten zum Zeitungsmarkt.

Weitere Informationen finden Sie in pv digest #1/2015 vom 8. Januar. Jetzt hier bestellen!

Bezugsgröße der Kalkulation ist der für den November 2014 geschätzte Monatsumsatz mit digitalen journalistischen Bezahlangeboten in Deutschland. Dieser wurde linear auf 12 Monate hochgerechnet, um einen Jahreswert zu generieren. Wichtig: da der Markt stark wächst, liegt der reale Wert für das Kalenderjahr 2014 deutlich unter der hier präsentierten Jahresschätzung; für das Jahr 2015 ist aufgrund der Wachstumstrends ein höherer Wert zu erwarten.

Unsere Einschätzung beruht auf folgenden Kalkulationen und Annahmen:

  • Die regionalen deutschen Tageszeitungen verkaufen im Schnitt gut 500.000 E-Paper, davon 40% zum vollen Abonnementpreis und 60% zu Sonderkonditionen (meistens als Zusatzangebot zu einem Print-Abo). Für die regulären E-Paper-Abos unterstellen wir einen Durchschnittspreis von 19€; für die Print+Kombi-Abos 5€. Hinzu kommen Paywall-Erlöse bei aktuell gut 100 Tageszeitungen. Wir kalkulieren mit einer Quote von 5% der Käufer des gedruckten Produktes, die für den Online-Zugang bezahlen. Um auch hier den unterschiedlichen Angebotsmodellen Rechnung zu tragen, nehmen wir eine Verteilung von 40/60 (analog der überprüften E-Paper-Zahlen) auf voll zahlende Kunden und Print-Abonnenten mit ermäßigten Paywall-Preisen an. Für erstere rechnen wir mit einem Monatsdurchschnittspreis von 9€. Als Durchschnittspreis für einen online Zugang im Rahmen eines Printabos unterstellen wir 4€ pro Monat. (Durchschnittspreise und Quoten basieren auf eigenen Recherchen sowie aktuellen Untersuchungen diverser Organisationen und Beratungsfirmen.)
  • Für die überregionalen Zeitungen und für Bild haben wir anhand der veröffentlichten Daten (E-Paper-Auflagen und bei Bild und Welt auch IVW-Daten zu den digitalen Bezahlangeboten) eine auf den Details der veröffentlichten Auflagenstruktur und der jeweiligen Angebotspreise beruhende Abschätzung vorgenommen.
  • Für die Abschätzung der Paid Content Erlöse der Zeitschriften haben wir zunächst die Erlöse aus dem Verkauf von E-Papern ermittelt. Von den fast 600.000 durchschnittlich pro Ausgabe verkauften E-Papern entfallen in diesem Presse-Segment nur rund 13% auf stark ermäßigte Sonderverkäufe. Allerdings erscheinen Zeitschriften zu sehr unterschiedlichen Preisen und unterschiedlich häufig. Für die Kalkulation haben wir einen repräsentativen Mittelwert heran gezogen. Basis für dessen Kalkulation sind Durchschnittswerte, die wir aus einem proportional gewichteten Mix der Top10 Zeitschriften und einer Stichprobe aus allen übrigen Titeln berechnet haben. Unser ‘Durchschnitts E-Paper’ kostet hier knapp 7,50€ pro Monat im regulären Abo und 1,50€ im rabattierten Verkauf.
  • Für die unübersichtlichen Paywall- und App-Angebote aller Zeitschriften haben wir pauschal einen Jahreserlös von 20Mio€ unterstellt. Aufgrund fehlender Gesamtmarktdaten sehen wir hier den mit der höchsten Unsicherheit behafteten Teil unserer Marktanalyse. Der unterstellte Gesamtumsatz ist mit 20 Mio€ nach unserer Einschätzung eher konservativ beziffert.

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