#9/2015: Preisbindung – im Abo nur gefühlt vorhanden

Preisbindung Presse

Bücher müssen Preise binden

Presse darf Preise binden

Im Unterschied zu Büchern, deren Preise gebunden werden müssen, ist bei Presseprodukten das Binden der Preise eine Kann-Regelung, die aus dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen folgt. Dessen §30 sagt, dass Presse von dem das Gesetz prägenden Grundsatz ausgenommen ist (“Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, sind verboten.”) Zeitungen und Zeitschriften (auch für deren digitale Ausgaben!) dürfen Preise bis hin zum Letztverbraucher binden. Dürfen – sie müssen nicht! Und konkrete Regelungen zu den Konsequenzen einer Preisbindung bei Presseprodukten finden sich im Gesetz gar nicht.

Publikumspresse bindet praktisch ausnahmslos gegenüber Einzelhandel

Von der Preisbindungs-Erlaubnis machen praktisch alle Publikumspressemedien gegenüber dem Einzelhandel (Grosso und Bahnhofsbuchhandel) im Rahmen sogenannter Preisbindungsreverse Gebrauch. Das bedeutet, die Grundlage der Preisbindung ist hier eine vertragliche Regelung, die zwischen Verlag und Händler vereinbart wird. Der Großhändler, der eine direkte vertragliche Beziehung mit den Verlagen oder Nationalvertrieben eingeht, verpflichtet sich darin, die gebundenen Preise gegenüber den von ihm belieferten Einzelhändlern einzuhalten und diese auch gegenüber deren Endkunden zur Einhaltung zu verpflichten (‘Preisbindung zweiter Hand’).

Abopreise sind nicht gebunden, denn

Preisbindung heißt: A bindet B an Preis gegenüber C

das ginge höchstens bei BMD-Abos

Das bedeutet aber auch: dort, wo keine entsprechenden Verträge geschlossen werden, da gibt es auch keine bindenden Preise. “Im Abo, jedenfalls im Verlagsabo, haben wir gar keine Preisbindung”, sagt Martin Soppe, Partner der Kanzlei Osborne Clarke und ehemals Justitiar bei Gruner+Jahr. “Preisbindung im juristischen Sinne bedeutet: A verpflichtet B zur Einhaltung eines Preises gegenüber C”. Im Verlagsabo gebe es das nicht, da ja der Verlag unmittelbar an den Endkunden verkauft. Theoretisch komme eine Preisbindung im Bereich der Abowerberfirmen des WBZ in Frage. Aber auch dort gebe es keine einheitliche Praxis gebundener Preise.

Aus diesem Grund scheiterte beispielsweise das Handelsblatt im November 2012 vor dem OLG Düsseldorf bei dem Versuch, einem Abonnementwerber zu verbieten, Abos von Handelsblatt und Wirtschaftswoche zu Preisen unterhalb der vom Verlag festgesetzten Abopreise zu verkaufen. Denn mit dem Abowerber hatte der Verlag keine vertragliche Beziehung. Und dass die Abowerbefirma die Abos möglicherweise von einem (WBZ-) Unternehmen bezog, das sich zur Einhaltung der Preisbindung verpflichtet hatte, das spielte für das Gericht keine Rolle.

aber: auch im BMD sind Abopreise in den allermeisten Fällen nicht gebunden

Intan&PVZ “fühlen” sich aber gebunden

Bei den großen WBZ-Aboverwaltungen ist es sowieso nur “eine kleine Minderheit der Titel”, die diese Firmen förmlich auf gebundene Preise verpflichten, wie der Geschäftsführer der PVZ, Ingolf Becker, bestätigt. “Aber wir fühlen uns an die Preise der Verlage gebunden” sagt Intan-Geschäftsführer Frank Reh, als wir ihn auf dieses Thema ansprechen. In der Praxis sorge sein Unternehmen dafür, dass die von den Verlagen vorgegebenen Preise eingehalten werden. Das sagt auch Ingolf Becker über die PVZ. In beiden Unternehmen sollen die Aboverwaltungssysteme sicherstellen, dass nur die von den Verlagen vorgegebenen Preise auch fakturiert werden können.

justiziabel ist diese Form der Preisbindung nicht

Aber das ist natürlich kein sicherer Schutz vor ‘Sonderangeboten’ durch einzelne Werbefirmen. Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg und niedrige Abgabepreise und/oder hohe Werbekostenzuschüsse machen es wirtschaftlich möglich, dem Endkunden Abos zu deutlich rabattierten Preisen anzubieten – nicht zuletzt durch eine ‘Rückerstattung’ in Form von Barschecks oder Warengutscheinen. Ohne entsprechende vertragliche Vereinbarungen sind solche Angebote keine Verstöße gegen eine Preisbindung. Zwar handelt es sich möglicherweise um Verstöße gegen die in der Branche verabredeten Wettbewerbsregeln. Aber die sind, siehe weiter unten, nicht justiziabel.

auch Abowerbefirmen fühlen sich gebunden

Von mehreren Werbefirmen haben wir erfahren, dass ihnen die BMD-Aboverwaltungen tatsächlich keine förmlichen Verpflichtungen zur Einhaltung bestimmter Preise auferlegen. Allerdings mussten wir dazu nachbohren. Denn die erste und spontane Antwort der Werbefirmen auf unsere Frage lautete in aller Regel: “Ja, die Abopreise sind gebunden”. Es scheint so zu sein, dass im Bereich der selbstständigen Abowerbefirmen die Preisbindung ganz überwiegend eine gefühlt vorhandene, branchenüblicherweise eingehaltene Regelung ist. Rechtlich einklagbare Verpflichtungen von WBZ-Abowerbern sind eine Ausnahme.

Verlagsabopreise sind nicht fix

Verlage gewähren selber Rabatte, Sonderkonditionen und geldwerte Incentives

Die Verlage selbst bieten ihre Abonnements auch nicht zu einheitlichen Preisen an. Den Standard-Preisen, die in Preislisten oder dem Impressum genannt werden, stehen oft eine ganze Reihe Rabatte (vor allem für Probeabos, aber auch beispielsweise für jährliche Zahlweise oder Bankeinzugsgewährung) gegenüber. Ganz zu schweigen von Werbeaktionen, bei denen Verlagshäuser bisweilen Abos zu Schnäppchenpreisen anbieten. Und natürlich incentivieren die Verlage permanent die Bestellung von Abos ganz erheblich mit Zugaben und Prämien, Gutscheinen und sogar Bargeld.

Grenzen für Aborabatte?

wenn niedrige Preise die Kunden aus den Läden ins Abo locken

aber: laut BGH trifft das nicht einmal auf 40% Proberabatt plus Zugabe zu

Gibt es hier gar keine Grenzen? Doch. Hohe Aborabatte könnten den Einzelhandel benachteiligen, der ja an die Einhaltung der vorgegebenen, unrabattierten Preise gebunden ist. Mit allzu hohen Aborabatten würden die Verlage die Preisbindung im Einzelhandel missbrauchen. Allerdings hat der BGH bereits im Jahr 2006 entschieden, dass ein Missbrauch “erst dann vorliegt, wenn dadurch eine Nachfrageverschiebung zu Lasten des Handels nachgewiesen werden kann”, wie es Dr. Roger Mann von den Verlagsrechtsexperten der Kanzlei Damm & Mann formuliert. Auf unsere Nachfrage nennt er dieses Urteil “die wichtigste Entscheidung der letzten Jahre zur Preisbindung der Presse”. Zur Debatte stand damals ein um 40% gegenüber dem Einzelhandelspreis rabattiertes und mit einer Zugabe incentiviertes Probeabo der Zeitschrift Stern. Hatte das nachweislich die Nachfrage in Richtung Einzelhandel verschoben? Nach Ansicht des Gerichts nicht. Der Verlag argumentierte sogar, die Aktion habe dem Einzelhändler wegen der hohen Werbewirkung zusätzliche Verkäufe beschert.

Verlage dürfen Abos bei kurzer Laufzeit massiv incentivieren

Wettbewerbsregeln vor Gericht ohne Bedeutung

Und außerdem stellte der Bundesgerichtshof damals grundsätzlich fest: “Verlagsunternehmen dürfen für ein Zeitschriftenabonnement mit kurzer Laufzeit auch mit erheblichen Preisvorteilen und kostenlosen Sachgeschenken werben. Der Zeitschrif-ten[einzel]handel muss dies hinnehmen, obwohl er in seinen Preisen gebunden ist”. Und

auch ein Verstoß gegen die brancheninternen Wettbewerbsregeln, die Probeaborabatte auf maximal 35% begrenzen, spielte für das Gericht keine Rolle. Diese stellten keine rechtsverbindlichen Normen dar, sondern nur eine Empfehlung, so das Gericht.

für reguläre Abos gilt: maximal 15%

das folgt aus einem Kartellverfahren

Logik: bis 10% verliert der Handel kaum Kunden

+5% Sicherheitsmarge

=> ab15% schreitet das Kartellamt ein

Wann aber verschiebt sich die Nachfrage zu Lasten des (Einzel-)Handels? Hier hat sich bereits 1989 in einem Verfahren der vier Zeitschriftengroßverlage vor dem Bundeskartellamt die ‘15%-Regel‘ herauskristallisiert. Ursache dieses Verfahrens waren damals reguläre (also nicht Probe-) Abo-Rabatte von 20% und mehr gegenüber den Einzelverkaufspreisen. Das Kartellamt kam im Zuge eines Missbrauchsverfahrens zu folgendem Schluss: “Bis zu einem Abonnementpreisvorteil von 10% verliert der Handel nicht gravierend Kunden an das Abonnementsgeschäft”. Da im Zweifel die negativen Folgen für den Handel aber nachgewiesen werden müssten, addierte das Kartellamt noch einmal 5% “Sicherheitsmarge” hinzu. Und in der Folge leitet das Amt Missbrauchsverfahren erst bei “Unterschreitungen des gebundenen Preises von 15% oder mehr” ein. Denn solche Rabatte würden “nach allgemeiner Erfahrung … mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einer nicht unerheblichen Nachfrageverschiebung zu Lasten des gebundenen Handels” führen.

pvd meint: Die in Verlagskreisen durchaus verbreitete Vorstellung, dass der Abopreis durch Nennung im Impressum gebunden wird, ist ein Irrtum. Allerdings ein weit verbreiteter. Klagen wegen Preisbindungsverstößen bei Internetportalen wie Abofrosch, Groupon, Mydealz et al sind Krokodilstränen. Die Verlage könnten effektiv einschreiten, wenn sie konsequent die Preise binden würden. Freilich würde ein gebundener Abopreis auch bedeuten, dass man bei seinen eigenen Maßnahmen eingeschränkt ist. Denn laut BGH müssen Einzelhändler bei Aboangeboten zwar erhebliche Unterschreitungen der für sie gebundenen Preise akzeptieren. Aber ein Abowerbeunternehmen dürfte gute Erfolgschancen haben, sich gegen rabattierte Verlagsabos zu wehren, wenn ihm gleichhohe Rabatte verunmöglicht werden. Das ist wahrscheinlich der Grund, warum die großen Verlage lieber den kleinen Dienstweg wählen und versuchen, einzelne Werbefirmen mit stark rabattierten Angeboten vom BMD-Geschäft auszuschließen. Das dürfte auch der AGA-Präsident Michael Fischer vor Augen haben, wenn er “Ermittlungen” wegen unangemessen hoher Rabatte ankündigt.

Lange nicht diskutiert, aber keineswegs felsenfest abgesichert, scheint übrigens die Einigung auf maximal 15% Aborabatt. Wenn das Kartellamt diesen Wert mit "allgemeinen Erfahrungen" und "an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" begründet, dann schreit das geradezu nach einer zweifelnden Rückfrage von Seiten des Einzelhandels. Und die laxe Praxis bei den Abopreisen dürfte dann nicht gerade zugunsten der Verlage wirken. Im Gegenteil: manch ein Branchenexperte mahnt, man müsse aufpassen, nicht das gesamte Preisbindungsprivileg zu verlieren.

Schlagworte

Pricing

Themengebiete

Branchennews & -recht